Biotop Weipersgrund

Betrachtet man unsere Wiesentäler und Talauen, so stellt man zumeist fest, dass durch die Nivellierung, Angleichung  der Landschaft und den Ausbau der Gewässer z.B. Flutmulden, Auentümpel, Altarme, Überschwemmungszonen und Feuchtwiesen weitgehend verschwunden sind. Verschwunden sind damit auch die vom Vorhandensein eben solcher Strukturen abhängigen Lebensgemeinschaften. Bei den für den Weipersgrund und das Steinerbachtal verwirklichten ökologischen Verbesserungen handelt es sich demgemäß ganz überwiegend um (Wieder-) Vernässungsmaßnahmen, die eben diese Defizite an staunassen Bereichen sowie an feuchten Senken, temporären und permanenten Stillgewässern, infolge wasserbaulicher Eingriffe in der Vergangenheit, innerhalb des Gewässersystems zumindest teilweise ausgleichen sollen.

In einer beispielhaften Zusammenarbeit ab Dezember 2005  zwischen der Arbeitsgemeinschaft Natur und Umwelt, der E.ON Ruhrgas, der Stadt Braunfels, der Naturlandstiftung Lahn-Dill-Kreis e.V.  und der HGON wurden – über die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen hinaus – zusätzliche Kleinlebensräume, wie Tümpel und feuchte Senken, angelegt. Dies alles im Gefolge des Baues einer Ferngasleitung durch das Gewässersystem des Weipersgrundes zwischen Braunfels Neukirchen und Altenkirchen. Die Tier- und Pflanzenwelt sollte nach diesem erheblichen Eingriff in ein ökologisch höchst sensibles Bachsystem mit unterschiedlichen, wertvollen Biotoptypen stabilisiert und dynamisiert werden. Darüber hinaus konnte ein Lehrpfad realisiert werden. Die neun thematischen Tafeln beschäftigen sich mit wertvollen Biotoptypen, Geologie und Heimatkunde im Weipersgrund und Steinerbachtal.

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Die Wegstrecke bis zur letzten Tafel beträgt ca. 2,6 km. Der Arbeits- und Pflegebereich der AGNU erstreckt sich mittlerweile bis in alle Quellbereiche von Weipersgrund- und Steinerbach auf eine Gewässerstrecke von ca. 6,7 km. Die 2007/2008 im Weipersgrund und Steinerbachtal durchgeführten initialen Maßnahmen gleichen die wasserbaulichen Eingriffe der Vergangenheit teilweise aus und haben staunasse Bereiche, feuchte Senken, temporäre und permanente Stillgewässer neu entstehen lassen.

Die Arbeiten und die Pflege der AGNU Aktiven geschieht seither  nach einem umfassenden Pflegeplan – der mittlerweile auch die Beweidung durch Rinder aus dem kooperierenden Biolandwirtschaftsbetrieb Zinke in Neukirchen und Schafe des Betriebes Gerlach in Philippstein integriert. (Anbei Fotos von Pflegearbeiten – auch am improvisierten Dammsystem zur Entwicklung der Wiedervernässung von Geländeteilen.

Die Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo) gehört unbedingt zu den Charakterarten eines Mittelgebirgsbaches in Mitteleuropa. Neben sauberem, sauerstoffreichem Wasser benötigt die Art eine zumindest naturnahe Uferstruktur mit teils schattigen, gehölzgesäumten, teils aber auch sonnigen, krautbestandenen Abschnitten. Der Baumbewuchs am Gewässerrand darf keine geschlossene Baumkrone ausweisen, da den Tieren sonst die notwendige Sonnenbestrahlung fehlt. Das Vorkommen der Prachtlibellen hat sich in den letzten Jahren im Weipersgrund ganz erstaunlich gut entwickelt.

Dactylorhiza majalis – das breitblättrige Knabenkraut – ist eine heimische Orchideenart – die auf einer Feuchtwiese direkt am Steinerbach vorkommt. Die AGNU pflegt diesen Bereich durch versetzte Handmahden des Geländes kontinuierlich.

Das im Gefolge der Bauarbeiten in den Folgejahren massenhafte Auftreten des Indischen Springkrautes in den Bachtälern wurde von der AGNU und ihren MitarbeiterInnen jedes Jahr konsequent und mit grossen Arbeitsaufwand bekämpft – die Bachtäler sind als absolute Ausnahmen in der Region seither praktisch frei vom Befall durch den Neophyten – der die heimische Pflanzen- und damit auch Tierwelt bedroht – speziell etwa die diversen Libellenpopulationen.

Abschluß der Springkrautbekämpfung 2014 – hier waren unsere ehrenamtliche MitarbeiterInnen durch Asylbewerber und MitarbeiterInnen des Internationalen Bundes unterstützt worden, viele Hundert Arbeitsstunden waren notwendig.

Als wunderbare Ergänzung der Talbereiche konnten im Jahr 2017 auf Betreiben der AGNU und mit Unterstützung der Braunfelser Stadtverordneten,  ein oberhalb  dem Weipersgrund gelegenes ca. 20 Hektar umfassendes altes und ökologisch höchst wertvolles Waldareal –  der Heiligenwald – Hainsimsen-Buchenwald mit 180 jähr. Traubeneichen und Lärchen mit außergewöhnlich zahlreichen Höhlenbäumen (Vögel, Säugetiere, Käfer, Fledermäuse, Pilze, Flechten) aus der wirtschaftlichen Nutzung genommen werden. Es gelang die Bewahrung als  hervorragendes Zeugnis für die nachhaltige Waldentwicklung mit Beispielcharakter für die kommenden Generationen.

Die AGNU Braunfels organisiert jedes Jahr ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm – und führt jeweils hunderte von NaturfreundInnen durch ihre Pflegebreiche – mit ganz unterschiedlicher Thematik – Schmetterlingen, Insekten, Vögel, Fledermäuse, alter Wald etc. stehen auf dem Exkursionsprogramm.

 

Joachim Bernecke / AGNU Braunfels

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