Für die Lahnschlinge bei Dutenhofen ziehen sie alle an einem Strang: Im Auenbiotop arbeiten Fischer, Jäger, Landwirte und Naturschützer zusammen, um die Natur zu erhalten und zu schützen. „Eine besondere, wohl einmalige Konstellation“, sagt Horst Ryba von der Naturlandstiftung Lahn-Dill.
Montagmorgen. Vor-Ort-Termin bei Dutenhofen. Horst Ryba bespricht mit Anglern, Jägern und Nabu-Vertretern die aktuelle Lage. Im Rahmen einer Projektpartnerschaft zwischen der Stadt Wetzlar und der Naturlandstiftung wird der Bereich um die alte Lahnschlinge entwickelt (siehe Infokasten).
„Der Projektvertrag ist ein kostbares Rechtsgut, das beide Seiten verpflichtet, nichts unter den Tisch fallen zu lassen“, erklärt Ryba. Mit Leben erfüllen den Kooperationsvertrag die Aktiven der Pflegegruppe vor Ort, bestehend aus Dutenhofener Bürgern. „Wir sind Dutenhofener und wollen gemeinsam die Landschaft erhalten und mitgestalten. Dafür arbeiten wir alle zusammen, Ideologien sind uns fremd“, sagt Jagdpächter Werner Müller.
Die Wege für die Experten aus dem Stadtteil sind kurz. „Einmal in der Woche gibt es einen Kontrollgang. Und wenn Missstände erkannt werden, ist innerhalb von Stunden ein Team vor Ort“, berichtet Müller. Sie kennen sich aus rund um die Lahnschlinge: „Wir sind alle Praktiker, leben in der Natur und für die Natur. Von uns weiß jeder, wo die Lahn über die Ufer tritt.“ Zahlreiche Pflegeaktionen werden organisiert: Zweimal pro Jahr versuche man das indische Springkraut zurückzudrängen. Auch dem japanischen Knöterich sind die Naturschützer auf den Fersen.
Gleichzeitig legen sie unter anderem Schilfgürtel an, Eichen und Weichhölzer, die in der Aue lebensfähig sind, werden gepflanzt und betreut. Pappeln werden an der Ausbreitung an unpassenden Stellen gehindert. Zudem werden Mulden gebildet, um Dauerflachwasserzonen zu schaffen. Die Naturschützer wollen einen geschützten Raum schaffen, Ruhezonen für Wasservögel und Co..
Die Erfolge sind sichtbar: „Das Westufer des Altarms ist vom Springkraut befreit.“ Störche, Reiherenten, Silberreiher, Eisvogel, Schwäne und Stockenten sind wieder in der Lahnschlinge beheimatet. „Die Tiere haben wieder einen Lebensraum.“
Gefahren für die Auenlandschaft sehen die Mitglieder der Pflegegruppe vor allem im Menschen. „Unvernünftige Hundehalter“, die ihre Hunde nicht anleinen, sind den Naturschützern ebenso ein Dorn im Auge wie Quadfahrer oder Mountainbiker, die ihr Gefährt in den Biotopen ausprobieren und große Schäden hinterlassen. „Die Tiere reagieren zudem äußerst empfindlich auf solche Störungen.“ Vermehrte Kontrollen im Gebiet könnten Abhilfe schaffen. Auch fordern die Aktiven, dass Bootsgruppen möglichst geführt werden, damit Unwissende nicht in Laichgebiete vordringen und die Fische beim Ablaichen stören, so Wolfgang Lerch vom Angelverein. „Die meisten Touristen verhalten sich korrekt, aber es reichen da die Ausnahmen.“
Ein großes Problem sei zudem die Vermüllung der Landschaft. „Nach einem Hochwasser sieht es hier aus wie auf einer Müllhalde. Das ist alles Dreck, der von Menschen verursacht wird.“ Rybas Appell an die Menschen, die die Lahnschlinge in ihrer Freizeit nutzen, lautet deshalb: „Fühlen Sie sich der Natur gegenüber verantwortlich und leisten Sie den Anweisungen des Gesetzgebers Folge!“ Treffen die Aktiven auf Umweltsünder, sprechen sie diese sofort an, stoßen dabei aber auf unterschiedlichste Reaktionen – „von angedrohten Prügeln bis zu Menschen, die einsichtig sind“.
All dies zeige, „welch hohes ehrenamtliches Engagement“ der Pflegegruppe der Naturlandstiftung von Nöten sei, um ihren Aufgaben im Auengebiet nachzukommen, so Ryba. 2015 erhielt die Gruppe, die seit 2011 aktiv ist, hierfür den Naturschutzpreis der Stadt Wetzlar.
Besonders wichtig sei, dass die Zusammenarbeit klappe – und das tut sie. Auf allen Ebenen. Bei der Stadt, bei der Naturlandstiftung und den Akteuren vor Ort. „Die Zusammenarbeit ist das Besondere. In Dutenhofen findet sich eine einmalige Konstellation von Jägern, Anglern und Landwirten und mehr, die alle zum Wohl der Natur handeln. Eigene Interessen werden hintenan gestellt. Die Natur steht an erster Stelle“, so Ryba.
Zusammenarbeit klappt auf allen Ebenen
Das bestätigt auch Wolfgang Lerch: „Wir kennen uns alle seit Jahren, das klappt alles auf Zuruf.“ Man arbeite auf Augenhöhe zusammen, jeder weiß, wo er anpacken müsse, keine Interessengruppe werde vergessen. Auch genieße der Naturschutz bei der Stadt Wetzlar einen hohen Stellenwert, loben die Naturschützer. „Wir sind stets in Verbindung mit der Stadt. Professioneller und ehrenamtlicher Umweltschutz arbeiten hier Hand in Hand“, so Ryba.
Deshalb geht die Zusammenarbeit auch ungehindert weiter: Der dritte Pflegeabschnitt an der Lahnschlinge soll ebenfalls an die Naturlandstiftung und damit an die Pflegegruppe übergeben werden.
DAS PROJEKT
DIE LAHN
Um gefährdete Arten und auetypische Strukturen zu erhalten, zu schützen und weiterzuentwickeln wurde das Projekt „Lahnschlinge bei Dutenhofen “ ins Leben gerufen. Große Teile der Gesamtfläche des Projektgebiets von knapp 22 Hektar befinden sich im Besitz der Stadt Wetzlar und werden für das Projekt langfristig zur Verfügung gestellt. In Kooperation mit der Naturlandstiftung Lahn-Dill setzt die Stadt Wetzlar das Entwicklungskonzept in mehreren Abschnitten um. Die Naturlandstiftung Lahn-Dill organisiert und kontrolliert die Nutzung und Entwicklung des Gebiets im Sinne des mit der Stadt gemeinsam erarbeiteten Leitbilds. Es ist eine der umfangreichsten Naturschutzmaßnahmen, die die Stadt Wetzlar derzeit durchführt.
In der Zeit von 1844 bis 1851 wurde die Lahn bis Gießen als Transportweg (Eisenerz) ausgebaut. Die Lahn verlor im Zuge der Kanalisierung einen Großteil ihrer Schleifen, da sogenannte „Durchstiche“ angelegt wurden. Die Uferbereiche des neuen Flussbettes wurden stellenweise mit Steinpackungen befestigt, das Flussbett tief ausgebaggert. Die Feuchtgebiete der Altarme der Lahn sind als Bioptope – sofern sie nicht zerstört wurden – wertvolle Rückzugsgebiete für die Pflanzen- und Tierwelt. Das Projektgebiet beinhaltet eine abgetrennte Lahnschlinge , die noch heute in Form von Altarmfragmenten, Auwaldresten und Feuchtbereichen teilweise gut erkennbar ist.
WNZ, Montag, 15. April 2019, von Tanja Freudenmann