Für mehr Artenvielfalt sollen alternative Formen der Beweidung von Feldern sorgen. In Braunfels probiert Landwirt Falk Zinke ein solches Konzept aus. Er setzt dabei auf eine vom Aussterben bedrohte Rinderrasse.
Als sie Falk Zinke von Weitem erkennen, kommen die Rinder ihm freudig entgegen und hüpfen nach der Begrüßung ausgelassen wie junge Hunde davon. Die vier Mutterkühe und ein Bulle fühlen sich auf der Weide im Weipersgrund/Steinerbachtal zwischen Neukirchen und Altenkirchen sichtbar wohl. Mit einer Widerristhöhe von 115 bis 125 Zentimetern und einem Gewicht zwischen 380 und 480 Kilogramm gehört das Hinterwälder Rind zu einer der kleinsten Rinderarten in Europa.
Die Rasse ist vom Aussterben bedroht. Abstammen soll das Hinterwälder Rind vom Keltenrind, es kommt aus dem Südschwarzwald, wo es heute noch gehalten wird. Auch auf dem Sonnenhof in Neukirchen wird die Rasse für ein Beweidungsprojekt eingesetzt.
Falk Zinke und sein Sohn Matthias vom Sonnenhof im Braunfelser Stadtteil Neukirchen leiten derzeit ein Beweidungsprojekt mit den Nutztieren. Dieses hat der Biologe Andreas Schmidt für die Braunfelser Arbeitsgemeinschaft Natur und Umwelt (AGNU) konzipiert.
Das Konzept sieht vor, dass die Rinder immer nur für kurze Zeit auf einer Fläche von jeweils rund 2000 Quadratmetern weiden. Sie werden nach vier bis fünf Tagen, wenn die Wiese komplett abgeweidet ist , umgesetzt. „Jede Teilfläche sollte pro Jahr mindestens zweimal, bei entsprechenden Bedingungen gerne auch öfter beweidet werden“, erklärt Zinke.
Wichtig sei dabei, dass die Rinder kein zusätzliches Futter bekämen und ausschließlich das fressen, was die Fläche „natürlicherweise“ hergibt. Ohne Zufütterung kann es keine Übernutzung des Grünlandes geben.
Nach dem Abweiden bearbeitet Falk Zinke die Fläche mit einem sogenannten Sichelmulcher. Dabei werden nur die übriggebliebenen Stängel von Brennnesseln und Disteln abgetrennt. „Das Untergras kann sich dadurch besser entwickeln“, erklärt der Bio-Landwirt.
Direkt im Anschluss kommt Michaela Müller mit ihrem neun Jahre alten Wallach Mio zum Einsatz. Das rheinische Kaltblut zieht eine sogenannte Wiesenschleppe mit zwei Gummireifen über die Weide.
„Dadurch werden die Kuhfladen verteilt, auf denen sonst der Ampfer wächst, den die Tiere nicht fressen“, erklärt sie.
Wie oft eine Fläche beweidet wird, hängt von der jeweiligen Vegetation ab. Die AGNU unterstützt das Projekt mit 600 Euro. Joachim Bernecke ist mit seinen Mitstreitern seit zwölf Jahren gerade im Weipersgrund und im Steinerbachtal mit verschiedenen Naturschutzprojekten aktiv.
Wie oft eine Fläche beweidet wird, hängt von der jeweiligen Vegetation ab
„Das Nebeneinander unterschiedlicher, naturverträglicher Nutzungsformen wie die Beweidung zu unterschiedlichen Zeiträumen ist die Grundlage maximaler Artenvielfalt“, sagt er und erläutert: „Der Steinerbach wurde bewusst mit eingezäunt, weil sich die Trittspuren, die von den Rindern im Uferbereich hinterlassen werden, mit Wasser füllen, und sich dadurch neue Lebensräume bilden.“
Sogar Fische würden von der Beweidung profitieren. So gebe es bei Zwergstichling, Moderlieschen und Steinbeißer mittlerweile höhere Bestände im Bereich der beweideten Gewässer.
Wetzlarer Neue Zeitung vom Dienstag, 17. Juli 2018, Seite 18